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Zunahme an Gewalt gegen Frauen: Ist Corona wirklich schuld?

Monika Jank - SLP Österreich


Vor ein paar Tagen versuchte in Bad Vöslau ein Mann seine Frau zu töten. Sie überlebte glücklicherweise. Der Mann begründete seine Tat mit Überforderung wegen Home-Office und der Isolation aufgrund der Coronakrise. Doch nicht das Virus und dessen Verbreitung ist Ursache des Gewaltanstiegs, vielmehr erhöht sich diese stets in Krisensituationen oder wenn viel Zeit miteinander verbracht wird (wie im Urlaub oder zu Weihnachten). Bereits vor Corona wurde jede dritte Frau in der EU mindestens einmal in ihrem Leben zum Opfer von körperlicher oder sexualisierter Gewalt. Die meisten Übergriffe finden dabei in den eigenen vier Wänden statt. Die Täter sind meist die eigenen Partner.




Aktuell werden durch die Ausgangssperre Ausweichmöglichkeiten drastisch reduziert und der Stress von allen Haushaltsmitglieder steigt. Nicht nur, dass man mehr Zeit als sonst auf engem Raum miteinander verbringt, oft muss auch imHome-Office gearbeitet werden oder hat man gerade den Job verloren. Daneben erhöht sich durch die Kinderbetreuung zuhause - inklusive der Herausforderung, den Online Unterricht der Kinder zu unterstützen - die Anforderungen an Eltern und vor allem Frauen. Auch die zu erledigende Hausarbeit nimmt zu. Frauen befinden sich vermehrt zu Hause und sind so stärker der potenziellen Gewalt ihres Partners ausgesetzt.

Frauenschutzorganisationen haben schon darauf hingewiesen, dass in der Coronakrise und durch das Verhängen der Ausgangssperre ein Anstieg von häuslicher Gewalt gegen Frauen zu erwarten ist.

Wohin nun wenn kein Platz im Frauenhaus? Bereits vor dem Ausbrechen des Virus befanden sich Frauenhäuser an ihrem Limit. Sie kämpfen seit Langem mit stets zu wenigen Ressourcen. Zuletzt wurde unter Schwarz-Blau das Budget für Fraueneinrichtungen, die sich mit Gewalt gegen Frauen beschäftigten, stark gekürzt. Insgesamt können in ganz Österreich etwas mehr ca. 800 Frauen und Kinder gleichzeitig in Frauenhäuser untergebracht werden. Selbst bei konservativer Schätzung von einem nötigen Platz pro 10.000 Einwohner*innen fehlen mehr als 100 Plätze. Nicht nur jetzt, sondern auch in den Zeiten vor und nach Corona ist Gewaltschutz notwendig. Doch jetzt kommen noch zusätzliche Herausforderungen hinzu. Aufgrund des Virus muss aus gesundheitlichen Gründen zusätzlich auf kleinere Wohneinheiten gesetzt werden. Bereits infizierte Frauen und Kinder müssen isoliert werden, damit sie den Virus nicht weiter verbreiten. All dies bedeutet mehr Platzbedarf von Frauenhäusern, die diesen nicht haben und ohnehin schon überfüllt sind. Hinzu kommt, dass nicht passieren darf, dass Frauen aus Angst vor Infektionen den Weg ins Frauenhaus ablehnen und weiterhin in einer gewalttätigen Beziehung bleiben. Doch woher können diese extra Räumlichkeiten genommen werden?

Die Tourismusbranche ist aufgrund des Coronavirus massiv eingebrochen. Zahlreiche Hotels sind geschlossen und stehen leer. Unterschiedlich große Zimmer mit zahlreichen Betten inklusive Zubehör und Bädern, die von Frauenhäuser im Moment dringend benötigt werden, sind hier unbenutzt. Diese kommen zu jenem ohnehin freistehendem Wohnraum, der zur Spekulation dient, hinzu. Es gibt also genügend Platz, um Frauen in sicherer und geschützter Umgebung unterzubringen und die Ausbreitung des Virus aufgrund der kleineren und freistehenden Wohneinheiten in Hotelzimmern zu einzudämmen. 

Wenn die Regierung 38 Milliarden Euro für die Wirtschaft zur Verfügung stellt, muss auch den Frauenhäusern und von Gewalt betroffenen Frauen unter die Arme gegriffen werden. Finanziert werden muss diese Maßnahme von der Öffentlichen Hand, die Frauen selbst haben in der Regel kaum eigenes Geld. Eine Möglichkeit wäre, den Hoteliers bei erwiesener Bedürftigkeit die echten angefallenen Kosten wie für Essen, Wäsche etc. aus staatlichen Mitteln zu bezahlen - die Zimmer aber nicht, da diese ohnehin leer stehen. So könnten die Hoteliers keinen Profit aus der Lage schlagen, aber die Jobs der Beschäftigten könnten so gesichert werden. Sind die Hoteliers nicht bereit, Raum für Frauen, die Schutz brauchen, zur diesen Bedingungen zur Verfügung zu stellen, dann sollten die Hotels unter öffentliche Verwaltung gestellt werden und die Beschäftigten durch die Gemeinde bzw. den Staat bei ordentlicher Bezahlung angestellt werden. So kann der Leerstand der Hotels sinnvoll genutzt werden - Frauen bekommen einen Schutz - und Arbeitsplätze wären gesichert.

Was tut die Regierung? Echter Schutz statt Ankündigungspolitik ist nötig! Als die Regierung am 19. März wegen der aktuellen Situation ein neues Maßnahmenpaket gegen häusliche Gewalt vorstellte, beschwichtigte die grüne Justizministerin Alma Zadić, dass Betretungs- und Annäherungsverbote sowie Wegweisungen weiterhin ausgesprochen werden. Zusätzlich werde die telefonische Helpline finanziell und personell aufgestockt und die Online-Beratung für von Gewalt bedrohte Frauen ausgebaut. Doch wie erfahren jene Frauen von dem Angebot? Wir fordern eine massive Informationskampagne: in allen Medien, im Radio, in Zeitungen, im Fernsehen sollten verpflichtend Informationen von Helplines oder/und Frauenhäusern geschalten werden. Allerdings sollten diese nicht wie Werbeeinschaltungen teuer bezahlt werden und den Medien Extraprofite ermöglichen. Für alle Medien sollten diese verpflichtend und somit für die öffentliche Hand kostenlos sein. Des weiteren müsste in allen Supermärkten – der einzige Ort, wo die meisten Leute noch hingehen – Informationsmaterial in verschiedenen Sprachen aufliegen. Frauen haben dort die Möglichkeit ungestört von den Augen ihres Partners oder ihrer Familie diese Information entgegenzunehmen. Zusätzlich könnte man in allen Häusern selbige Information aushängen. In Zeiten von Corona muss sichergestellt werden, dass Frauen nicht davor zurückschrecken ihren gewalttätigen Partner zu melden, wenn sie befürchten, dass er dadurch einer höheren Ansteckungsgefahr ausgesetzt ist. Wenn nötig müssen auch hier Notunterkünfte für die weggewiesenen Männer zur Verfügung gestellt werden.

Finanzielle Unabhängigkeit schützt Viele Frauen sind nach wie vor finanziell von ihren Männern abhängig, da sie vergleichsweise weniger verdienen. Gerade in der aktuellen Situation ist die Zahl der Arbeitslosen stark gestiegen und steigt laufend weiter an. Vor allem prekär Beschäftigte sind stärker betroffen. Die gerade wichtigen Jobs wie in Supermärkten oder im Gesundheitssystem sind Frauenjobs und generell eher schlecht bezahlt. Frauen sollten nicht aufgrund einer finanziellen Abhängigkeit in einer gewalttätigen Beziehung bleiben. Generell braucht es ordentliche Bezahlung und mehr und vor allem leistbaren Wohnraum, sodass Mieten nicht einen Großteil des monatlichen Einkommens auffressen. Als konkrete und akute Maßnahme fordern wir das Aussetzen der Mietzahlungen für Wohnungen während der Coronakrise. Das hilft allen, also auch jenen, die ihren Job verlieren, und hat darüber hinaus zur Folge, dass Frauen nicht in gewalttätigen Beziehungen bleiben müssen, um ihre Miete bezahlen zu können.

Maria Rösslhumer, Leiterin der Frauenhelpline gegen Gewalt und Geschäftsführerin des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser, erklärt, dass das Coronavirus Frauen ohne Deutschkenntnisse verhätlnismäßig mehr betreffe. Sie sehen sich mit noch größeren Hürden konfrontiert, um in ein Frauenhaus zu kommen. Per Telefon müssen bereits sämtliche Sicherheitsvorkehrungen abgeklärt werden und festgestellt werden, ob die jeweilige Frau Symptome hat oder in einem Risikogebiet war. Ohne entsprechende Sprachkenntnisse gestaltet sich das oft sehr schwierig.


Dolmetscher*innen seien nicht immer zur Verfügung. Es braucht mehrsprachiges Material sowie mehr Berater*innen, die mehrere Sprachen beherrschen und die jeweiligen Frauen telefonisch betreuen können.

Kapitalismus, nicht Corona ist die Ursache der Unterdrückung von Frauen Der Grund für Gewalt gegen Frauen darf nicht in der Coronakrise gesucht werden. Das Problem hat schon davor existiert und ist Teil des kapitalistischen Systems. Der Kapitalismus basiert auch auf der Unterdrückung von Frauen, die in Krisensituationen deutlicher wird und ein schlimmeres Ausmaß annimmt. Der Stress, die fehlenden Ausweichmöglichkeiten, finanzielle Probleme wegen Arbeitslosigkeit und Angst vor der Wirtschaftskrise, die durch die Coronakrise ausgelöst werden, sind potenzielle Faktoren, die Gewalt in Beziehungen auslösen oder noch verschlimmern. Die Coronakrise zeigt allerdings auch, dass, wenn nötig, Geld zur Verfügung gestellt werden kann - und das nach Jahren von Sozialabbau. Die Situation, in der sich von Gewalt betroffene Frauen befinden, sollte auch als Krise gesehen werden. Auch dafür bedarf es massive Investitionen. Ein Anfang kann die erwähnte Nutzung von leerstehenden Hotels sein sowie mehr Personal für Frauenhäuser und Notrufe sein. Zusätzlich müssen Frauen besser bezahlt werden. Gerade sogenannte Frauenjobs halten aktuell das Alltagsleben am Laufen. Zu Beginn des Jahres gab es eine Streikwelle im Gesundheits- und Sozialbereich, wo Beschäftigte im Zuge der Kollektivvertragsverhandlungen mehr Bezahlung und eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn und Personalausgleich forderten. Gerade jene Kolleg*innen setzen sich Tag um Tag selbst dem Risiko aus, um das Virus zu bekämpfen und das Leben von Infizierten zu retten. Sie haben sie mehr als ihre Forderungen verdient.

Obwohl das Schließen des Gender-Pay-Gaps, ordentliche Löhne, leistbares Wohnen sowie mehr Ressourcen für Frauenhäuser und den Umgang mit von Gewalt betroffenen Frauen definitiv hilfreich und nötig sind, reicht das nicht aus, um Gewalt gegen Frauen zu beenden. Da diese, wie bereits erwähnt, systemisch ist, brauchen wir das Ende des kapitalistischen Systems. Nur in eine sozialistischen Gesellschaft, die auf Solidarität und Bedürfnissen der Menschen und nicht der Profite basiert, kann die Grundlage für das Beenden von Gewalt gegen Frauen liegen.

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